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Links ein Fossil aus der Twistringer Grube, daneben ein deutlich jüngerer Urlaubsfund. © Schmidt, Katharina

In Twistringen soll in einer Tonkuhle eine Fossilien-Sammelstelle entstehen, die auch ein spannendes Ziel für Schulexkursionen sein könnte. Der ehemalige Lehrer Martin Lütjen war bereits in den 1980er-Jahren auf den Spuren der Evolution mit seinen Schülern dort.

Twistringen – Vieles aus dem Schulunterricht gerät früher oder später in Vergessenheit. Die Exkursion in die Grube 2 ist denjenigen, die sie erleben durften, aber in Erinnerung geblieben – das weiß Martin Lütjen aus Gesprächen mit seinen ehemaligen Schülern. In den 80ern, damals lehrte er am Gymnasium in Syke, hat er ein paar Mal das Klassenzimmer gegen die Tonkuhle neben der Ziegelei Otto Sunder getauscht. In Serpentinen ging es hinab, um auf den Spuren der Evolution Fossilien aufzuspüren.

Bald könnten sehr viele Klassen – nicht nur von Schulen aus Twistringen und Umgebung – auf ähnliche Art und Weise in längst vergangenen Zeiten graben. Das Wasser der seit Jahren vollgelaufenen Tonkuhle soll noch in diesem Jahr abgepumpt werden, um eine öffentliche Fossilien-Sammelstelle für Jung und Alt einzurichten.

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Martin Lütjen hat unter anderem das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium geleitet. © Schmidt, Katharina

„Bei Fossilien denken wir oft an Dinosaurier“, erzählt Martin Lütjen, mittlerweile 71 Jahre alt. Die Schnecken, Muscheln und Korallenfüßchen in Twistringen sind vielleicht nicht ganz so gigantisch, dafür gibt es jede Menge von ihnen. Hier und da finden sich auch Ohrknöchelchen von Fischen oder sogar Haizähne. Vor rund 15 Millionen Jahren lag Twistringen am Rande eines Urmeeres, dem Miozän-Meer.

Das Bauleitverfahren für die Fossiliengrube läuft. Der Bauausschuss fasste jüngst den Aufstellungsbeschluss.

„Ich bin kein Fossilien-Experte“, sagt Lütjen. „Aber ich war als Lehrer schon immer daran interessiert, Unterricht mit Kopf, Herz und Hand zu machen.“ Beim Evolutionskurs in Syke sei ihm das zunächst etwas schwergefallen. Viel Theorie, alles sehr weit weg ...

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Die Tonkuhle ist mit Wasser vollgelaufen. © Schmidt

Anfang der 1980er-Jahre hörte Lütjen erstmals von den Fossilien in der Twistringer Grube. Ein Kommilitone erwähnte die Tonkuhle beiläufig. „Ich habe mich aber im Prinzip nicht dafür interessiert“, gesteht Lütjen, von Haus aus eher Botaniker. Auf die Idee, die Grube zu Lehrzwecken zu nutzen, kam er erst später, in einem Gespräch mit dem ehemaligen Twistringer Bauamtsleiter und leidenschaftlichen Fossiliensammler Ludwig Böhme. Der versicherte: Jeder kann in der Tonkuhle innerhalb einer halben Stunde Fossilien finden. „Da schellten bei mir alle Glocken, mein pädagogisches Herz war an genau der richtigen Stelle getroffen.“

Mitte der 80er stapfte Lütjen zum ersten Mal zusammen mit Schülern in die Tonkuhle, ausgerüstet mit Zeitungspapier, Löffel und einem kräftigeren Messer. „So ein Fossil ist zunächst als kleiner weißer Punkt in der Tonwand zu sehen“, kramt er in seinen Erinnerungen. „Man stellt auch ganz schnell fest, wenn irgendwo ein ganzes Nest voller Fossilien ist.“ Die Schüler haben die Fossilien grob herausgeschnitten, in das Zeitungspapier gewickelt und später dann mit Wasser ordentlich gewaschen. „Dieses Suchen, das Entdecken, das Herausschneiden aus dem Ton – das sind so Erlebnisse, die mich begeistert haben.“

Fossilien als Mittel zum Zweck

Martin Lütjen ist nie Fossiliensammler geworden. Gerade mal eine Handvoll Fossilien liegen bei ihm zu Hause herum. „Ich habe Fossilien immer als Mittel zum Zweck gesehen.“

1992 wurde der Ziegeleibetrieb eingestellt. „Dann erwarb der Landkreis das gesamte Ziegeleigelände, außer den bebauten Teil“, erinnert sich Lütjen. Ganz kurz habe es die Diskussion gegeben, Sonderabfälle in die Tonkuhle zu kippen. Eine Tonkuhle sei nach unten dicht. „Wie eine Badewanne“, verbildlicht er in der Manier eines Lehrers. Die Idee mit dem Sondermüll sei aber sofort wieder verworfen worden. Stattdessen sollte die Grube als Tonvorrat für die AWG herhalten. Noch heute werden Tonschichten genutzt, um den Müll auf Deponien vom Boden zu trennen und somit zum Beispiel zu verhindern, dass Regenwasser Rückstände ins Erdreich spült.

Letztlich lief die Tonkuhle einfach voll, und der Fischereiverein machte schließlich einen Angelteich daraus.

Jahre vergingen – Lütjen leitete in der Zwischenzeit die Orientierungsstufe Twistringen sowie das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium – bis die Idee mit der Fossiliensammelstelle als Erlebnis für Jung und Alt, mit Waschstelle und allen Drum und Dran, aufkeimte. Insbesondere Edmund Rasche und Alfred Meyer vom Heimatverein haben das Projekt ins Rollen gebracht. Bei einem Ausflug ins dänische Gram, wo es eine ähnliche Sammelstelle schon gibt, sprang der Funke auf Lütjen über. „Von dem Tag war ich angefixt, wie die jungen Leute sagen würden.“

Wenn alles fertig ist, kann er sich vorstellen, noch mal ein bisschen den Lehrer hervorzukehren und anderen Leuten die Faszination der Fossilien näherzubringen.