20180703

BASSUM - Als ihre Tochter Mara sie mit der Idee bestürmte, eine Gastschülerin aufzunehmen, war Bärbel Schaffer aus Bassum zunächst skeptisch. Was, wenn die Verständigung nicht klappt? Was, wenn der Gast das Essen nicht mag? Heute steht sie mit drei jungen Frauen im Garten, um für ein Pressefoto zu posieren. Zwei davon sind ihre Töchter, Mara und Lea. Und die dritte ist eigentlich auch ihre Tochter. „Mama“, nennt die 17-Jährige mit den schwarzen Haaren die Bassumerin. Und wer sieht, wie die Frauen miteinander scherzen, hat wirklich den Eindruck, eine Familie vor sich zu haben.

Seit knapp zehn Monaten ist Yuka nun in Deutschland. Kaum zu glauben, wenn man sich mit der Japanerin unterhält, denn sie beherrscht die Sprache schon ziemlich gut. Wenn ihr ein Wort nicht einfällt, versucht sie, es zu umschreiben oder lässt sich von ihren „Schwestern“ helfen. Yuka stammt aus Kitakyushu, doch sie hat schon einmal drei Jahre in Düsseldorf gelebt, als sie noch ein Kind war. „Doch da hatte ich fast nur Kontakt zu Japanern. Das fand ich immer schade, denn es war doch auch meine Heimat. Ich wollte gern Deutsch lernen“, berichtet die 17-Jährige. Sie bewarb sich bei der Austauschorganisation Youth For Understanding (YFU).

Bei dieser hatte sich auch Mara Schaffer informiert, die ebenfalls mit dem Gedanken spielte, ins Ausland zu gehen. Das klappte nicht, aber als sie hörte, dass YFU Gastfamilien suchte, war sie von der Idee begeistert und überzeugte ihre Mutter. Die Familie bekam Steckbriefe von Austauschschülern zugesandt – und entschied sich für Yuka. „Ich finde Japan sehr spannend und Yuka wirkte so sympathisch“, erklärt Lea.

Schaffers erhielten einen Katalog, in dem auf die Eigenarten der Asiaten hingewiesen wurden wie zum Beispiel Berührungsängste. „Wir sollten besser auf Umarmungen verzichten“, erinnert sich Bärbel Schaffer, die sich damals fragte: „Und wie begrüßen wir sie dann?“

Auch Yuka wurde vor ihrer ersten Begegnung mit ihrer Gastfamilie darauf vorbereitet, was „typisch deutsch“ ist. „Sie sagten uns, die Deutschen sind wie Kokosnüsse – außen hart, abweisend, innen weich. Anders als die Franzosen. Die sind Pfirsiche“, erzählt Yuka und lacht. „Außerdem feiern Deutsche gerne, legen Wert auf ihre Kaffeezeit und den Kuchen.“ Die 17-Jährige lernte etwas die Sprache, doch Ängste blieben: Was, wenn ich nichts verstehe? Was, wenn ich keine Freunde finde?

Die Sorgen auf beiden Seiten haben sich inzwischen in Luft aufgelöst. Gleich bei der ersten Begegnung strafte Yuka den Katalog Lügen, in dem sie ihre Gastfamilie herzlich drückte. Und die vielen Namen, die die Deutschlandflagge und das T-Shirt schmücken, die sie nun in die Kamera hält, zeigen, wie viele Menschen sie in ihr Herz geschlosssen haben. Aber auch Yuka wird viele schmerzlich vermissen, wenn sie am Donnerstag die Heimreise antritt. Neben ihrer Gastfamilie und ihren Mitschülern am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium Twistringen besonders Siegfried Rohlfing, ehemaliger Kreiskantor, der ihr Klavierunterricht gab. „Ich würde ihn am liebsten mitnehmen.“ Gern denkt sie auch an den Männer-Kochkurs mit Gerd Stötzel zurück, den sie als einzige Frau besuchen durfte, oder an die vielen Reisen in verschiedene Städte in ganz Deutschland.

Nicht so schön seien Bemerkungen mancher Leute gewesen wie: „Asiaten sehen alle gleich aus“ oder Fragen wie: „Isst du Hunde?“ Doch Yuka lächelt und meint: „Gewisse Vorurteile sind wohl normal. Asiaten haben sicher auch welche.“

Der größe Unterschied zu Japan sei für sie die Schule gewesen. „Dort sitzen wir zwölf Stunden. Kaum jemand meldet sich, weil er Angst hat, sich zu blamieren. Es gibt keine Gruppenarbeit und keine Diskussionen, wir hören nur zu. Schmuck, Schminke oder gefärbte Haare sind nicht er- laubt, die Nägel müssen kurz gehalten werden. Trinken im Unterricht dürfen wir nicht“, berichtet Yuka.

Besonders seltsam sei es für sie gewesen, dass Mitschüler sich in der Schule ganz offen küssen. Yuka muss lachen, als sie daran denkt, wie geschockt sie war, als sie es das erste Mal sah. In Japan wären die Lehrer bei einem Kuss wütend geworden.

Dennoch freut sich die 17- Jährige auf ihr Zuhause, vor allem auf ihre Familie. „Aber eigentlich habe ich jetzt zwei“, sagt sie und lächelt die drei Schaffer-Frauen an. Mit ihnen will sie auf jeden Fall in Kontakt bleiben.