Schulelternräte im Landkreis wollen für Schulsozialarbeiter kämpfen

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Jugendliche, die unter Cybermobbing leiden oder an sich selbst zweifeln, gibt es an jeder Schule. Für sie sind die Schulsozialarbeiter wichtige Ansprechpartner. Gymnasiasten sollen künftig auf sie verzichten. - Foto: Imago

Twistringen - Von Julia Kreykenbohm. An Gymnasien ist die Welt noch in Ordnung. Kinder aus gutbürgerlichem Elternhaus gehen jeden Tag gern in die Schule, kennen keine Sorgen, Nöte und Ängste. Und falls doch, können Eltern und Lehrer ihnen jederzeit helfen. Diese – zugegebenermaßen überspitzte – Vorstellung scheint nach Meinung der Schulelternvertreter an den Gymnasien im Landkreis Diepholz, in den Köpfen einiger Politiker vorzuherrschen. Denn wie sonst erklärt es sich, dass Kultusministerin Frauke Heiligenstadt verkündet hat, das Land werde künftig die Kosten für Schulsozialarbeiter übernehmen – bis auf für die an den Gymnasien?

Denen stehe es natürlich frei, einen Schulsozialarbeiter aus ihrem Ganztagesbudget zu finanzieren. „Wir haben allerdings kaum Ganztagesgymnasien“, erklärt Sabine Nölker, Schulelternratsvorsitzende des Hildegard-von-Bingen-Gymnasiums in Twistringen. Was hier passiere, sei ein großes Unrecht. Und weil Nölker mit dieser Meinung nicht alleine dasteht, kamen am Samstag sämtliche Schulelternratsvorsitzende von allen Gymnasien im Landkreis Diepholz in Twistringen zusammen, um darüber zu beraten, wie es weitergehen soll.

„Schulsozialarbeiter sind auch an Gymnasien unverzichtbar“, betonte Nölker auf Nachfrage dieser Zeitung. „Auch dort leiden Kinder und Jugendliche unter Cybermobbing, ritzen sich, erkranken an Bulimie und Magersucht. Sie haben Versagensängste oder ihre Eltern lassen sich scheiden. Auch sie erfahren häusliche Gewalt, nehmen Drogen und sind hyperaktiv. Nicht umsonst wurden bisher Schulsozialarbeiter an Gymnasien finanziert. Ich verstehe nicht, warum das jetzt nicht mehr so sein soll. Die Gymnasiasten werden dadurch schlechter gestellt als die Schüler an anderen Schulen.“ Verdacht: SPD will Gymnasien abschaffen

Viele Elternvertreter haben eine Vermutung, warum das passiert. „Auf der Versammlung klang der Verdacht auf, dass die SPD die Gymnasien sowieso abschaffen will und ihnen auf diese Weise schon mal einen wichtigen Baustein entzieht.“ Da werde Politik auf Kosten der Kinder gemacht. Die Lehrer könnten die Arbeit der Schulsozialarbeiter unmöglich auffangen, so Nölker. „Erstens haben sie gar nicht die Kapazitäten und zweitens verfügen sie nicht über die nötige Vernetzung, um schnelle, unbürokratische Hilfe zu leisten.“ Die Sozialarbeiter seien aber nicht nur wichtig für die Schüler, sondern auch für Eltern und Lehrer, denen sie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Auf der Zusammenkunft seien drei Schulsozialarbeiter dabei gewesen, die ganz klar gesagt hätten, dass sie „weg“ seien, wenn das Land ihre Verträge nicht übernehmen werde. Die Schulelternratsvorsitzenden der Gymnasien im Landkreis wollen deswegen so schnell wie möglich handeln, um es nicht so weit kommen zu lassen und haben auf der Tagung ihre Ziele formuliert. „Wir möchten, dass das Land nicht nur Schulsozialarbeiter an allen Schulen finanziert, sondern ihnen auch unbefristete Verträge gibt. Damit werden die Schulsozialarbeiter von der dauernden, quälenden Ungewissheit befreit, wie es in ein oder zwei Jahren mit ihnen weitergeht“, so Nölker. Sie sollen so ein fester Bestandteil der Schule werden. Qualifikation ist wichtig

Zudem sollen die Schulleitungen gegenüber den Sozialarbeitern nicht weisungsbefugt sein. „Die Eigenständigkeit der Schulsozialarbeiter soll gewahrt werden, damit sie nicht als Pausenaufsicht oder Lehrervertretung missbraucht werden können“, so Nölker. Wichtig sei auch, qualifiziertes Personal einzustellen, das bedeutet Diplom-Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter.

Beklagt worden sei auch die geringe Wertschätzung der Tätigkeit der Schulsozialarbeiter. „Das Land hat zwar für sie die Verantwortung übernommen – doch es macht das schlecht“, sagt Nölker. Schulsozialarbeiter, die langjährige Erfahrung haben, werden genötigt, sich auf ihre Stelle neu zu bewerben und sollen dann erstmal eine Probezeit absolvieren wie ein Berufsanfänger.

Um ihre Ziele zu erreichen, planen die Schulelternräte der Gymnasien des Landkreises Diepholz zwei Schritte: Die Unterstützung durch die Politik und den Schulterschluss mit anderen Gymnasien in ganz Niedersachsen. „Im Januar laden wir die Landtagsabgeordneten des Landkreises zu einem Gespräch ein“, kündigt Nölker an. „Wir hoffen, dass sie sich für uns in Hannover stark machen.“ Gleichzeitig werde Kontakt zu sämtlichen niedersächsischen Gymnasien aufgenommen, um dem Gesuch mehr Nachdruck zu verleihen, ganz nach dem Motto: „Zusammen sind wir stark“. Außerdem sollen noch Lehrer und Schüler befragt werden. Tagung hat Mut gemacht

Die dreistündige Tagung sei alles in allem sehr gut verlaufen und habe Mut gemacht, fasst Nölker zusammen. Die Referentin an diesem Tag, Annette Eppmeyer als Vertreterin des Verbandes der Elternräte der Gymnasien Niedersachsens, habe das Vorgehen der Schulelternräte gelobt und ihnen geraten, dran zu bleiben, auch wenn der Weg sicher lang und schwer werden wird. Doch das schrecke sie nicht ab, sagt Sabine Nölker. „Es ist uns eine Herzensangelegenheit. Und schließlich steht schon in den Menschenrechten, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollen. Gilt das denn nicht für Gymnasiasten?“