201901112

Twistringen - Von Sabine Nölker. Walter Silberberg, Hans Hurwitz und Ella Goldschmidt sind nur drei von 25 jüdischen Mitbürgern, die während des Zweiten Weltkriegs in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben kamen. 25 Namen von Twistringer Bürgern haben die Schülerinnen Neele und Joline am Montagabend am Gedenkstein an der Bachstraße vorgelesen. „Nie wieder!“, so war laut Melissa der Vorsatz nach 1945. „Dieser Vorsatz gilt nicht mehr!“

 

Pastoralreferentin Birgit Hosselmann von der katholischen Kirche führte durch die Gedenkandacht zur Reichspogromnacht an dem Ort, wo bis zum 10. November 1939 noch eine Synagoge stand. „Doch das war nur der Vorgriff auf das, was folgen sollte“, so Hosselmann. Deportation und Vernichtung der jüdischen Mitbürger sollten folgen. Mehr als 100 Jugendliche, Frauen und Männer hatten sich an diesem kalten Novemberabend zum Gedenken eingefunden. „So viele waren noch nie da“, so Hosselmann weiter. „Das berührt mich gerade sehr.“

Daneben stand der Religionskurs der Klasse 10a vom Hildegard-von-Bingen-Gymnasium. Ben las ein erschütterndes Gedicht von Elie Wiesel über die Grausamkeiten im KZ Auschwitz. „Nie werde ich den Rauch vergessen. Nie werde ich die kleinen Gesichter der Kinder vergessen, deren Körper vor meinen Augen als Spiralen zum blauen Himmel aufstiegen“, hieß es.

„Wir wollen, dass unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht vergessen werden, auch wenn ihr Leben radikal ausgelöscht worden ist“, erklärte Lehrerin Bianca Röhrig-Kraft, bevor die Namen verlesen wurden und in der Tradition jüdische Trauerkultur für jede Person ein Stein auf dem Gedenkstein niedergelegt wurde.

„Der Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019 war der Versuch eines Massenmordes an Juden am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag“, fuhr Melissa fort. „Das Undenkbare ist möglich geworden.“ Marie und Fiona lasen einen Kommentar von Richard C. Schneider vor, einem deutschen Autor und Dokumentarfilmer:. „Der Antisemitismus ist längst wieder in der Mitte der Gesellschaft, nein, nicht ,angekommen', denn er war ja nie weg. Er ist einfach wieder hervorgekrochen aus seinen Löchern, er ist überall präsent…“ Den Gesichtern der Anwesenden konnte man die Bestürzung ansehen.

Julian, Bennet und Lukas trugen im Anschluss die Fürbitten vor, unter anderem für „Mut und Entschlossenheit, gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus vorzugehen und sich nicht schleichend daran zu gewöhnen.“ Hosselmann bat darum, „es reicht nicht, dass wir heute hier gemeinsam stehen, es muss ins Leben umgesetzt werden.“ Mit dem Lied „Hevenu Shalom Alechem – Wir bringen Frieden euch allen“, einem Segensgebet sowie dem Schlusslied „Selig seid ihr“ endete nicht nur für Bürgermeister Jens Bley und den Ersten Stadtrat Harm-Dirk Hüppe eine eindrucksvolle Gedenkfeier.