20180318

Die Staatsanwältin, von Emily Thelken eindrucksvoll in Szene gesetzt, verhört Polizeipräsident Schiller alias Robin Hartmann als Zeugen.

Twistringen - Von Sabine Nölker. Schuldig oder unschuldig? Mit dieser Frage sahen sich jüngst die Besucher des Theaterstücks „Schuld“ konfrontiert. Das Seminarfach Theater des zwölften Jahrgangs hatte am Mittwoch und am Donnerstag in das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium eingeladen und ein beeindruckendes und nachhaltiges Stück aufgeführt.

 

Das Besondere: Die Zuschauer wurden dabei zu Schöffen, die in einem Gerichtsverfahren ein Urteil fällen sollten. Vielen der mehreren hundert Gäste war der Prozess um Wolfgang Daschner und Magnus Gäfgen aus dem Jahr 2004 noch in Erinnerung. Damals hatte der Polizist Daschner im Verhör dem Entführer des Bankierssohns Jakob von Metzler Gewalt angedroht, damit dieser verriet, wo er das elfjährige Kind versteckt hatte. Seminarfachleiterin Meike Schröder diente die Geschichte als Vorlage zu ihrem ersten selbst geschriebenen Theaterstück. „Mit Unterstützung meiner Schüler“, wie sie betonte.

Diese legten tolle darstellerische Leistungen hin. Ernst war das Stück und regte zum Nachdenken an. Auf der einen Seite der sympathische, in sich gekehrte Angeklagte, der stellvertretende Polizeichef Wolfgang Drescher, der von Timon Müller einwandfrei in Szene gesetzt wurde.

Auf der anderen Seite der narzisstische Kindsmörder Markus Graf, den Linus Bavendiek nicht weniger eindrucksvoll und realistisch verkörperte. Dann die Staatsanwältin alias Emily Thelken, die mit voller Überzeugung die Verfassung schützen wollte. „Sie alle hier müssen unsere Verfassung schützen“, so ihr Schlussplädoyer an die Schöffen – also das Publikum. „Denn sie ist klüger als wir. Klüger als unsere Wut, klüger als unsere Angst. Nur mit ihr werden wir als freie Gesellschaft überleben können!“

Ihr Kontrahent Dustin Striepe als Rechtsanwalt von Drescher, sagte hingegen: „Lassen Sie nicht zu, dass die Menschenwürde Jakob Messners und seiner Familie weiter durch die eiskalte Strategie eines Verbrechers verletzt wird, der auf diesem Wege Aufmerksamkeit zu bekommen sucht!“

Für die Zuschauer viel Input, viel „Für“ und „Wider“, das – wie vom Seminarfach beabsichtigt – in den Pausen eifrig diskutiert wurde. Richter Luca Wiecher verkündete am Ende das Urteil – an beiden Tagen sprach das Publikum den Polizisten „nicht schuldig“, am Donnerstag allerdings mit nur sieben Stimmen Vorsprung. Am Mittwoch sah es anders aus. Rund Zweidrittel der „Schöffen“, sahen die Androhung der Folter als Rechtens an.

Für die 22 jungen Menschen auf der Bühne ein Grund, die Zuschauer mit den Folgen einer solchen Entscheidung zu konfrontieren. „Jetzt würde ich doch anders stimmen“, kam aus dem Hintergrund eine leise Stimme.

Am Ende gab es donnernden Applaus für die Akteure, die sich ihrerseits mit einem Blumenstrauß bei ihrer Lehrerin bedankten. Noch lange danach wurde diskutiert und den Laienschauspielern für ihre Leistungen auf der Bühne anerkennend auf die Schultern geklopft.