TWISTRINGEN - „Das Hildegard-von-Bingen-Gymnasium ist Mittelpunkt dieser Region“, lobte Wolfgang Zapfe zu Beginn seines Vortrags „Europa, das wollen wir“ beim Akademietag am Mittwochabend im Forum der Schule. Der ehemalige Leiter der Europaschule Gymnasium Antonianum Vechta verfolge mit Respekt, was alle Beteiligten geleistet haben und lobte das pädagogische Konzept.
Bereits am Morgen referierte der langjährige Vorsitzende der Europa-Union Niedersachsen und des Kreisverbandes Vechta, der auch Mitglied im Präsidium der Europa-Union Deutschland ist, vor den Schülern der Jahrgänge zehn bis zwölf. Der Schwerpunkt lag auf der historischen Entwicklung Europas bis in die Gegenwart. In den anschließenden Workshops, von deren Vielfalt er beeindruckt war, diskutierten und bearbeiteten die jungen Leute Themen wie den Brexit, das deutsch-US-amerikanische Verhältnis sowie die Migrationspolitik in der EU. „Die Workshops waren interessant“, lobten die Schülerinnen Judith, Jule und Yasmin. Ebenso fanden sie den Vortrag von Zapfe spannend, der wie am Abend von einem Klavierspiel von Helen Beuke und Magnus Fieweger eingeleitet wurde.
Am Abend folgte im zweiten Teil des Akademietags der öffentliche Teil, zu dem Vertreter aus Wirtschaft und Politik, Lehrkräfte aus anderen Schulen sowie Eltern erschienen. „Die Einheit Europas ist bedroht“, stieg der Oberstudiendirektor i.R. gleich ins Thema ein. „Der Fremdenhass greift um sich.“ Werte, für die lange gekämpft wurden, würden angegriffen. Die Renationalisierung entferne die Menschen immer mehr vom europäischen Gedanken. „Rechtsnationalisten werden zwar gebremst – wie in Frankreich und Belgien –, aber nicht gestoppt“ Sie lauerten weiter im Hintergrund. Zapfes große Frage und Sorge: Wird Europa nach mehr als 60 Jahren auseinanderfallen? Man wolle ein solidarisches und bürgernahes Europa – aber ein soziales Europa brauche auch Impulse.
„Wir haben verlernt, das Wunder zu sehen. Denn Europa ist ein Wunder“, fuhr Zapfe fort. Er betrachtet die Union aus fünf Blickwinkeln: als historisches Friedensprojekt, als eine Rechtsgemeinschaft, als Wertegemeinschaft, als Kulturgemeinschaft und schließlich als Herausforderung. Seit 70 Jahren sei Europa ein Friedensbündnis, an dessen Anfang der Schumann-Plan stand. „Der Weg zum Frieden ist vor allem der der persönlichen Begegnung“, fuhr er fort. Er forderte die Jugend auf, Europa als gemeinsames Erbe zu betrachten. „Nicht die Macht hat das Recht, sondern das Recht hat die Macht“, so interpretiere er die Rechtsgemeinschaft Europa. „Europa braucht eine Seele.“ Gleichzeitig forderte er, dass Länder, die der EU beitreten wollen, sich den Wertesystemen anschließen. An die Deutschen stellte er die Frage: „Haben wir den Mut, zu unseren eigenen Werten, zu unserer Kultur zu stehen?“
Ein vereintes Europa diene nicht dem Selbstzweck. „Wir können den globalen Herausforderungen nur gemeinsam begegnen.“ Es sei eine Illusion, in einer globalen Welt alleine klarzukommen. Deshalb müsse Berlin endlich zu einem Abschluss bei der Regierungsbildung kommen. „Brüssel kann nicht ewig warten, auf Berlin eh nicht.“ Europa bleibe für ihn eine ewige Baustelle. „Nicht alles ist gut in Europa, aber vieles ist so gut wie noch nie.“ Engagement und Mut seien gefragt. „Wir brauchen mehr Bekenntnisse zu Europa und dürfen nicht am Seitenrand sitzen und abwarten. Europa, das wollen wir – das Glas ist halbvoll.“ Damit endete der einstündige Vortrag, der großen Anklang bei den über 300 Gästen fand.