Gelebte Politik im Gymnasium
- Geschrieben von Julia Soostmeyer, Weser-Kurier
Verteidigen und angreifen - darum ging es gestern im Hildegard-von-Bingen-Gymnasium Twistringen. Was sich eher nach einem Selbstverteidigungskurs anhört, hatte rein gar nichts damit zu tun: Es ging um die Simulation einer Parlamentssitzung. Und die Schüler des elften Jahrgangs nahmen ihre Rolle als Präsidenten und Abgeordnete in einem Schülerparlament sehr ernst. nicht mit Facebook verbundennicht mit Twitter verbundennicht mit Google+ verbundenEinstellungen Twistringen. Rund 90 Anzugträger und fein gekleidete Damen tummelten sich im Forum des Twistringer Gymnasiums. Schon allein das zeigte, wie ernst die Schüler ihre Rolle nahmen. Das Projekt der Simulation einer Parlamentssitzung wurde erstmalig an der Schule gestartet. "Es ist ein Experiment", erklärte der Politik- und Wirtschaftslehrer Sebastian Dörr. Zusammen mit seinen Kollegen Jens Eifert und Adam Gasiorowski und den Schülern der Politik-Kurse bereitete er drei Wochen lang die Aktion vor. Hintergrund ist das große Interesse der Schüler an der Politik. "Eine Arbeitsgruppe Europäisches Jugendparlament hatte sich mit einer Resolution zum Datenschutz bei Facebook für eine Sitzung beworben", erläuterte Dörr den Werdegang. Sie hatten vorab bereits eine Sitzung des Europäischen Jugendparlaments in Weimar besucht. Aufgrund ihrer Begeisterung bildete sich die Arbeitsgruppe. Außerdem sei der große Andrang in den Politik-Leistungskursen ein Grund gewesen, die Veranstaltung zu initiieren. Mit den Präsidenten im Rücken In den Vergangenen drei Wochen tüftelten die Beteiligten aus fünf Politik-Kursen - vier davon sind Prüfungskurse und einer ein Ergänzungskurs - selbstständig an den Themen und dem Ablauf der Parlamentssitzung. Schließlich einigten sich die Nachwuchspolitiker auf die Themen Geldmangel in der Bildungspolitik, Verringerung der Umweltproblematik des CO2-Ausstoßes, Endlager für Atommüll, Rechtsradikalismus und rechte Parteien sowie den Wegfall des Wehr- und Zivildienstes. Diese Bereiche wurden gestern diskutiert. Jeder Kurs bearbeitete einen dieser Belange, verfasste eine Resolution. Originalgetreu wurden diese während der einzelnen Debatten an einem Rednerpult von einem Gruppenmitglied vor dem "Parlament" vorgestellt. Im Rücken saßen dem Redner dabei die Präsidenten: Hischtar Agam, Patricia Fehrentz und Jannik Meissner. Ihre Aufgabe: Die Leitung der darauf folgenden Diskussionen und das Zeitmanagement. Lief die Zeit für einen Beitrag ab, ertönte eine Triangel, die den Vortragenden zum Ende seiner Rede drängte. Rund 45 Minuten waren für die jeweiligen Debatten angesetzt. "Man kann etwas verändern, es läuft so viel falsch und man kann nicht immer nur fordern", sind sich Hischtar, Patricia und Jannik einig, und begründeten damit auch ihr Interesse an der Politik. "Man muss selbst ran und die Ursachen für Missstände bekämpfen." Jannik kann es sich auch vorstellen, sich später beruflich mit Politik auseinanderzusetzen. Derzeit spende er der Europakrise und den Verfassungsänderungen in Ungarn viel Aufmerksamkeit, wie er sagte. Hischtar und Patricia hingegen möchten sich keinesfalls beruflich mit Politik zu befassen: "Nebenbei möchten wir uns schon damit auseinandersetzen, aber nicht hauptsächlich". Die Umweltpolitik interessiert die beiden Schülerinnen in erster Linie. Die drei Präsidenten zeigten sich begeistert, wie sich die Sitzung entwickelte und sie fanden, dass es einer echten Sitzung sehr nahe kam. Alle drei waren mit in Weimar, Jannik hatte schon öfter an Jugendparlamentssitzungen teilgenommen. Aber auch diejenigen, die manch ein Thema weniger interessiert, würden trotzdem zuhören und "sich gut schlagen", fand Hischtar. Auch die Lehrer Sebastian Dörr, Adam Gasiorowski und Jens Eifert konnten nur Komplimente an ihre Schüler verteilen: "Es läuft super, sie sind sehr gut dabei, das Experiment ist geglückt". Und so stehen die Chancen gut, dass das Projekt im kommenden Jahr wiederholt werden könnte. Die Mitarbeit der Schüler wird übrigens wie im Unterricht bewertet. "Extra Noten gibt es dafür nicht", erklärte Dörr.