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Luisa hat mit dem Rollator an einer Baustelle Probleme. Ein Loch am rechten Vorderreifen hält sie auf. © Marten Vorwerk

Twistringen – Mit dem Rollstuhl oder dem Rollator durch Twistringen laufen – wie einfach ist das? Gibt es genügend Barrierefreiheit? Welche Hindernisse müssen betroffene Menschen meistern? Schülerinnen der fünften Klasse vom Hildegard-von-Bingen-Gymnasium machen im Rahmen ihrer Generationen-AG, zusammen mit Hedwig Harms vom Seniorenbeirat, einen Test. Dabei gehen sie etwa eine zwei Kilometer lange Strecke rund um den Centralplatz ab.

Mit ihrer AG-Leiterin Bianca Röhrig-Kraft starten Luisa, Ida, Ivy und Freya an der Langenstraße 12 bei Buschman Energietechnik. Die vier Mädchen wechseln sich über die gesamte Strecke immer wieder ab – mal sitzend im Rollstuhl, mal den Rollstuhl schiebend, und mal am Rollator. Es geht zu Beginn von der Langenstraße rechts rum in den Buschweg, noch ohne Probleme beim Übergang.

Die ersten Schwierigkeiten stellen sich ein paar hundert Meter weiter ein, nach dem Abbiegen in die Luchtenburg. In dieser Straße müssen die Kinder die Seite wechseln, weil der Fußweg mittendrin aufhört. Der Bordstein ist kaum abgesenkt, somit geht es mit einem ordentlichen Ruckeln runter. Rauf kommen die vier Mädchen nur schwer, viel Kraft müssen sie anwenden. „Das ging überhaupt nicht einfach“, sagt eine der Gymnasiastinnen.
Das nächste Ziel ist die Ampel an der B 51 bei Weymann. Bis dahin kommen die Mitglieder der Generationen-AG, die eine Kooperation mit dem Seniorenheim St. Josef haben und in diesem Rahmen immer wieder Zeit mit älteren Menschen verbringen, gut voran.

Zeit für Straßenüberquerung knapp

„Ich möchte mal die Zeit messen, die die Leute hier an der Ampel haben, um herüber zu kommen“, sagt Hedwig Harms. 9,5 Sekunden stoppt sie die Grünphase für Fußgänger. Insgesamt 19 Sekunden dauert es von dem Zeitpunkt, an dem die Fußgänger grün bekommen, bis zum Zeitpunkt, an dem die Autos wieder fahren dürfen.
 
„Für einige langsamere Leute mit Rollator oder Rollstuhl sind die neun Sekunden zu wenig Zeit. Da bricht dann schnell mal Panik aus“, kritisiert Hedwig Harms. Auch die Schülerinnen müssen sich beeilen, damit sie es in den neun Sekunden über die Straße schaffen.
 
Im weiteren Verlauf passiert die Gruppe auf einem Schotterweg den Synagogen-Gedenkstein mit der Synagogentafel. „Die Tafel ist auch im Rollstuhl sitzend gut zu lesen“, erzählt Luisa. Über den Schotter könne „nicht ganz so gut gelaufen werden wie auf der normalen Straße“. Kurz an der Delme entlang, geht es über die Bach- und Osterstraße rechts in den Schwarzen Weg. Dort kommt ein älterer Herr mit Rollator entgegen. Hedwig Harms fragt, ob er auf dem Schotter gut laufen könne. „Ich bin damit ganz zufrieden“, sagt er.
 
20220601 bIda, Luisa, Ivy und Freya (v.l.) haben Schwierigkeiten, auf den Bürgersteig in der Luchtenburg zu kommen. © Marten Vorwerk
 
Als Nächstes wandert die Gruppe in der Nähe des Rewe-Markts an den beiden großen Baustellen an der Steller Straße, wo Büros für die Caritas und Wohnungen entstehen, vorbei. Dort kommt es zu einigen Problemen. „Die Wege sind hier zum Teil sehr eng“, bemängelt Hedwig Harms. Mit dem Rollator bleiben die Mitglieder der Generationen-AG an Löchern in den Straßenabdeckungen hängen.

Ergebnis ist „nicht so schlecht“

Ein paar Meter weiter auf dem Centralplatz erzählen die vier Mädels, dass sie die AG gewählt haben, weil sie gerne mit Senioren zusammen sind. „Ich finde ältere Menschen süß“, sagt zum Beispiel Luisa. Ivys Großeltern wohnen sehr weit weg. „Ich bin froh, mal etwas mit älteren Menschen zu unternehmen“, betont sie.
 
Das letzte Viertel des Weges führt die Gruppe zurück an die B51, wo die nächste Ampel wartet. Wieder wird die Zeit gestoppt – nur acht Sekunden. „Das liegt daran, dass der Weg kürzer ist als an der anderen Ampel“, erkennt Hedwig Harms, die eine ältere Dame mit Gehstock über die Ampel laufen sieht. Sie schafft nur etwas mehr als die Hälfte der Strecke, ehe die Fußgängerampel auf rot springt. „Das habe ich zuletzt auch von einem Bekannten gehört, dass er den Weg nicht schafft“, erklärt Harms.
 
Zum Schluss geht die Gruppe vorbei am Sanitätshaus zurück zum Startpunkt. „Bis auf wenige Ausnahmen und die Baustellen ist das Ergebnis nicht so schlecht“, fasst Hedwig Harms zusammen. Bianca Röhrig-Kraft pflichtet ihr mit einem „Das sehe ich genauso“ bei. Das Resümee der Teilnehmer: Die Innenstadt Twistringens ist beim Barrieretest nicht durchgefallen.
 
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