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Zahlreiche Gäste hören sich den Vortrag im Gymnasium an. Fotos: Kreykenbohm

Twistringen – „Dreckige Zecke. Wir werden dich aufschlitzen. Der 25. Mai wird dein Todestag.“ Drohungen wie diese, gerichtet an Sebastian Rave, einen Bremer Politiker der Linken, kommen nicht nur von rechten Politikern oder den typischen Straßen-Chaoten. „Es sind auch Akademiker und Bürgerliche, die so etwas schreiben“, erklärt Andrea Röpke.

 

Der Rechtsextremismus hat viele Gesichter, kann in alle Gesellschaftsschichten und Berufe sickern. Mal kommt er offensichtlich daher, lautstark auf der Straße rassistische Parolen brüllend. Mal versteckt hinter einer harmlos wirkenden Fassade wie die einer nett lächelnden jungen Frau, die sich für die NPD aufstellen lässt und etwas für Familien tun will.

Röpke möchte in ihrem Vortrag am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium für die verschiedenen Gesichter sensibilisieren und ein Bewusstsein schaffen, wie weit die Strukturen der Rechten reichen. Die Politologin und freie Journalistin hat sich auf Nationalsozialismus und Rechtsextremismus spezialisiert.

Das Thema ist vor allem durch den Mord an dem Kasseler Politiker Walter Lübcke aktuell, den mutmaßlich ein Mann aus der rechtsextremistischen Szene begangen haben soll. Und dieser Mord scheint, wenn man Röpkes Ausführungen lauscht, nur die Spitze eines Eisbergs zu sein, der mehr oder weniger unbemerkt unter der Oberfläche gewachsen ist.

„Die Gewalt ist alltäglich, aber kaum präsent“, meint Röpke. „Jetzt bricht sie hervor und die Medien reagieren hysterisch. Lübcke war der erste Politiker, der – vermutlich – von Rechten ermordet wurde, aber es gab mehrere Anschläge zuvor wie auf Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein. Hinzu kommen die Opfer des NSU.“

Seit 1990 hätten Rechtsgesinnte 169 Menschen getötet. 2016 gab es 217 Attacken auf Helfer und Hilfsorganisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern und seit 1963 hätten sich 92 rechte Terrorgruppen gebildet. Zahlen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt seien. Die neue „Bühne“ der rechten Bewegung sei das Netz, die sozialen Medien wie Facebook, wo sie sehr aktiv seien, eine Basis fänden und sich gegenseitig anstachelten.

Röpke zeigt einen Facebook-Post vom Kreisvorsitzenden der AfD Diepholz, Andreas Iloff, für den die Fridays-for-Future-Bewegung ein echtes Feindbild sei. In weiteren Chats von AfD-Politikern aus Schwerin wird darüber gesprochen, dass „rot-grüne Geschmeiß“ aufs Schafott schicken zu wollen und das man Linke erschießen müsste.

Beunruhigend wird es, als Röpke rechte Gesinnungen bei Menschen aufzeigt, die diese eigentlich bekämpfen sollten. Hessische Polizeibeamte stehen in Verdacht, die Anwältin Basay-Yildiz, die die Opfer im NSU-Prozess vertritt, bedroht zu haben. In der Gruppe Nordkreuz, einer sogenannten Prepper-Gruppe (abgeleitet von englisch „to be prepared“ – „bereit sein“), fänden sich unter anderem ein Anwalt, ein Stadtrat, Polizisten vom GSG9 und Kampfsportler, „also auch Menschen, die wissen, wie man mit Waffen umgeht“, so Röpke. Sie legten Depots an und warteten auf den Tag X, an dem sie das System zu Fall bringen wollen. Auch gäbe es Rocker-Gruppen, die sich mit den Rechtsextremen verbinden und sie unterstützen.

Neben dieser gewaltbereiten, meist männlich geprägten Seite des Rechtsextremismus, gibt es noch die weibliche. Frauen seien seltener in Gewalttaten verstrickt, aber deswegen nicht weniger gefährlich. Teilweise seien sie rassistischer als die Männer, fungierten als Einpeitscherinnen, gäben der Szene den familiären Anstrich.

So bedrohlich das Bild auch ist, dass die Journalistin zeichnet, so macht sie den zahlreichen Gästen des Akademieabends am Gymnasium auch Mut. Augen und Ohren sollen sie offen halten und rechtsextreme Posts den Präventionsstellen melden. „Wichtig ist, keine Angst vor dem Thema zu haben und engagiert zu sein. Schaffen wir ein Klima, in dem sie sich nicht ausbreiten können, und stärken wir uns.“

Auch im Kreis Diepholz gebe es völkische Strukturen. Alle möglichen rechten Gruppierungen fänden sich hier wieder, darum sei es auch wichtig, ihre Symbole zu erkennen. „Wenn jemand ein Oberteil von ,Pro violence’ kauft, sollte er wissen dass er damit eine rechte Marke unterstützt“, so Röpke.

Schlimm sei, dass durch den Mord an Lübcke die Zivilgesellschaft eingeschüchtert werden solle. „Die Botschaft lautet: Wenn ihr euch engagiert, werdet ihr getötet“, so Röpke. Doch das sei Humbug. „Das dürfen wir nicht zulassen!“ Man könne alles Mögliche tun, um Rechten entgegenzutreten. Nur eines dürfe man nicht – wegschauen.